2.1. Freskenmalerei

Parallel zu den behutsamen Freilegungsarbeiten am Steinteppich mussten auch größere Mengen an aufgelesenen und zerbrechlichen Wandmalereiresten in den Räumen 2, 3, 4 (Gang) und 7 versorgt werden. Ebenso wurden im gleichen Zeitraum, vom April bis in den Juli hinein, über 15 qm Wandmalereien von den römischen Mauern abgenommen.

Die in Vichten nachgewiesene Freskenmalerei (; ) wird allgemein als eine Malerei auf dem noch frischen und feuchten Kalkputz bezeichnet. Diese witterungs- und alterungsbeständige Art antiker Malerei erfordert großes Können, eine sichere Hand und rasches Arbeiten. Der feuchte Putz bindet die wässrigen Farbpigmente durch Karbonatisierung - eine Art Versinterung - in die oberste Schicht ein. Diese Karbonatisierung der Pigmente in die oberste Putzschicht ist das Produkt eines chemischen Prozesses, dass aus dem Kalkhydrat des Kalkmörtels durch Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft entsteht. Abhängig vom Glättungsgrad und der Zusammensetzung des Verputzes - insbesondere Marmormehl enthaltend - besticht die Malerei durch ihren typischen Seidenglanz.

Im Mai und Juni 1995 wurde über einen Zeitraum von sieben Wochen der „Fresken-Gang“ 4 bis zum Laufniveau, Lage für Lage, abgetragen (siehe Abb. 20). Die Freilegung erfolgte vom Durchgang der Räume 2 und 5 zum Portikus nach Süden hin. Zuerst konnte die Darstellung einer aufgehängten Theatermaske (siehe Abb. 13) und einer Tierhatz, als Teile der Malerei VII, aus dem Schutt befreit werden. Das Rundschild (lat. clipeii), Reh III und Panther III sind durch die herabgefallenen Wandmalereifragmente noch verdeckt. Links, als Teil der Malerei VIII, der Panther II im Sprung - die flüchtenden Rehe II und III sind ebenfalls durch die Trümmerschichten verschüttet. Unter dem Panther II ist die Fundstelle der Farbreste (siehe Abb. 20 und Abb. 25, rot markiert). Der wohl ehemals hölzerne Fußboden ist restlos vergangen.

Expand Expand Abb. 20
Blick in den Raum (Gang) 4 mit der verstürzten Wandmalerei in Schichtenlage und den Farbspritzern links auf dem Boden, Blickrichtung nach Süden (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)

Wie sich später herausstellen sollte, gehörten die Fresken zu einer Wanddekoration mit Schirmkandelabern, Masken und Tierhatz im 3. pompejianischen Stil: in der Sockelzone wechseln sich Tierhatzszenen auf schwarzem Grund mit Rundschilden und Masken auf rotem Grund ab. In der mittleren Zone wechseln die Farbfelder: Schirmkandelaber mit Greifvögeln und Heroen auf schwarzem Grund und monochrome Freiflächen in Rot. Die repetitive Szenerie der Tierhatz, Rundschilden und Masken wird im oben abschließenden Band auf schwarzem Grund weitererzählt. Die Ost-Wand spiegelt szenisch das gleiche Erzählmuster wie die West-Wand wieder. Mit dem Unterschied, dass die Tierhatz nun von Nord nach Süd dargestellt ist (siehe Abb. 21, Abb. 22, Abb. 23 und Abb. 24). Links der Durchgang zu Raum 2 der ebenfalls mit mehrfarbigen Wandmalereien der gleichen Themenwahl ausgeschmückt war und zum Teil restauriert wurde.

Die Gestaltung der farbigen Innenwände, sei es mit Steinplatten oder mit Wandmalereien, entwickelte sich in der Antike über einen längeren Zeitraum aus der klassischen Monumentalarchitektur, die in den 1. pompejanischen Stil, um 200 v. Chr. bis 80. v. Chr., auch Inkrustationsstil genannt, mündete: Felder-Lisenen-Gliederung der Wandmalerei mit Sockel und Fries und niedrigen hochgestellten Rechtecken, den Orthostaten. Stilprägend für den späteren 2. pompejanischen Stil, um 100 v. Chr. bis 15 v. Chr., auch Architekturstil genannt, waren die schlanken und hohen Felder-Lisenen-Gliederungen, die bis in die Spätantike Einfluss auf die Innenarchitektur hatten. Im 3. pompejanischen Stil, um 15 v. Chr. bis 50 n. Chr., auch Ornamentalstil genannt, wurde die hohe Felder-Lisenen-Gliederung beibehalten und die raumgreifende Architekturdarstellung trat zugunsten des Bildthemas zurück.

Expand Expand Abb. 21
Rekonstruktion der 4,37 m hohen farbigen West-Wand in Felder-Lisenen-Gliederung (Quelle: Christof Weber, 2002)
Expand Expand Abb. 22
Die rekonstruierte Freskenmalerei in Felder-Lisenen-Gliederung auf der Ost-Wand (Quelle: Christof Weber, 2002)
Expand Expand Abb. 23
Detail Heroen, Westwand (Quelle: Christof Weber, 2002)
Expand Expand Abb. 24
Detail Heroen, Ostwand (Quelle: Christof Weber, 2002)

Das Arbeiten in den beengten Verhältnissen zwischen den römischen Mauern verlangte ein hohes Maß an Geduld und Ausdauer. Es roch zudem überall nach Tierexkrementen, was der Freude an den Freilegungs- und Bergungsarbeiten keinen Abbruch tat. Im Durchgang, der die Räume 3 und 5 mit dem Raum (Gang) 4 verband, begann die zeitaufwändige Bergung der Fragmente. Gleich zu Beginn der Freilegungsarbeiten erregte der Fund von Resten der Wandvertäfelung aus dem Zentralraum 1 Aufmerksamkeit. Gesimsleistenteile der Marmorinkrustation aus dem großen Mosaiksaal befanden sich zwischen der Brandschicht und den Wandmalereiresten und erinnerten an die zerstörerische Kraft der Brandschatzung vor 1750 Jahren.

Um die Wandmalerei zu Bergen, wurde jeder Bund freigelegter und zusammengehöriger Freskenstücke mit Folie auf Holzplatten fixiert. Im Hinblick auf eine spätere Restaurierung erfolgte eine fortlaufende Nummerierung und Positionierung (Koordinaten) der Fragmente. Zum Schluss wurden die „in situ” verbliebenen Wandmalereien mit einem Baumwollgewebe kaschiert und von den Wänden abgenommen. Dies geschah mit Hilfe von langen Meißeln und Trägerplatten aus Holz. Eine umfassende fotografische Dokumentation rundete die Vorarbeiten für die Wandmalereirestauratoren ab.

Auf dem nun freigelegten antiken Laufniveau im Raum 3 (Nordseite) und Raum (Gang) 4 (Ostseite) konnten heruntergetropfte Farbreste freigelegt werden. Erstaunlicherweise überdauerten die Farbspritzer (siehe Abb. 25 und rot markiert Abb. 20), in leuchtendem Blau und Rot, auf den heruntergefallenen Mauerbewürfen. Offenbar verdeckte ehemals ein Holzfußboden die Putzreste (lat. tectorium) mit den konservierten Farbkleksen. Die, im 3. pompejianischen Stil gehaltenen, Wandmalereien und somit auch die heruntergetropfte Farbe sind der ersten Steinbauphase (flavisch, 69-96 n.Chr.) zuzuordnen und folglich rund 150 Jahre älter als das Bodenmosaik. Jedoch fanden sich keine Spuren von Holzresten oder ähnlichem, was zur Annahme verleitet, dass in der Renovierungsphase auch diese Fußböden ausgetauscht werden sollten. Da die neuen Bodenbeläge noch fehlten, wurde der Boden durch zahlreiche Handwerkerfüße verdichtet.

Expand Expand Abb. 25
Rote und blaue Farbspritzer auf Putzresten unterhalb der Wandmalerei VI (Panther II) im Raum (Gang) 4, Blickrichtung Osten (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)

In einem internationalen Restaurierungsprojekt wurden die römischen Wandmalereien aus dem Raum (Gang) 4 vom Dezember 2000 bis Oktober 2002 in Soissons (Département Aisne in der Picardie) im Centre d’étude des peintures murales romaines (CNRS - ENS) archäologisch untersucht und restauriert (; ). In die Zeit des Neubaus der Villenanlage in Steinbauweise - Vorgängerbau in Fachwerkbauweise () - gegen Ende des 1. Jahrhunderts verortet Frau Groetembril die Wandmalereien aus dem Raum (Gang) 4. Dagegen wurden die Wandmalereien aus Raum 2 (West- und Südwand) und der perspektivische Miniaturgarten (lat. hortus conclusus) in der Galerie 7 im Rahmen vom Verfasser betreuten Diplomarbeiten an der Technischen Hochschule, Fachbereich Restaurierung von Kunst- und Kulturgut in Köln (Nordrhein-Westfalen), durch zwei Studentinnen 1999/2000 technologisch untersucht und restauriert (; ).

Die an den Mauern verbliebenen Wandmalereien wurden im stacco-Verfahren, also mit Verputz, abgenommen. Hierfür wurde 220 Gramm schwerer Kaliko (Baumwollstoff in Leinwandbindung) zum Kaschieren der Malereien eingesetzt. Nachdem die Wandmalereien aus den Räumen 2, 3, 7 und die herausragenden Wandmalereien aus Raum (Gang) 4 geborgen waren, fokussierte sich die Arbeit auf das inzwischen grob gereinigte und rund 61 qm große „Musen-Mosaik“ im Zentralraum.

Bibliografie

Brinkmann 2000
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Cüppers 1984
Cüppers, H. (1984). Frührömische Siedlungsreste und Funde aus dem Stadtgebiet von Trier. In Augustusstadt die Treverer, S. 48-51. [Ausstellungskatalog]. Mainz.
Groetembril 1999
Groetembril, S. (1999). Rapport d’étude 1ère phase. Centre d’étude des peintures murales romaines. Soissons.
Krier et al. 2002
Krier, J., Groetembril, S., Nunes Pedroso, R., & Zaccaria, M. (2002). Fouille, étude et restauration: Peintures romaines de Vichten. In Archéologia, 395, S. 44-55. Dijon.
Münchau 2000
Münchau, M. (2000). Römische Wandmalereifragmente aus Vichten/Luxemburg - Zur Problematik der Übertragung und Präsentation. [Unveröffentliche Diplomarbeit]. Köln.