2.2. Deckenmalerei

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Grabungsplanausschnitt Raum 1 (Quelle: MNHA/Rainier Fischer auf Grundlage von Véronique Biwer)

Das robuste Mosaik trug durch die herabfallenden Trümmerteile keine Beschädigungen davon. Im Gegensatz zum Eingriff der Baggerschaufel, die nicht nur dezimierte, sondern auch ein durcheinander gewirbeltes Fundspektrum hinterließ, wobei der, für die Auswertung wichtige stratigrafische Fundhorizont, zerstört wurde. Aufgrund dessen wurde eine archäologische Rekonstruktion der historischen Abläufe, sowie der Innenausstattung der Villa erschwert.

Im 20 cm bis 40 cm hohen Schutt des Zentralraums lagen verstreut verschieden große Malereireste, die durch ihre Form eine Kuppel oder eine gewölbte Decke postulieren. Nur 12 km nordöstlich von Vichten gelegen, wurde in Schieren ein römisches Landgut mit einem ähnlichen Fundhorizont ausgegraben. Zusammengesetzte Malereifragmente aus dem Zentralraum der Schierener Villa () lassen jedenfalls auf ein Kreuzgratgewölbe schließen.

Eine Visualisierung der polychromen Deckenmalerei - die das Gewölbe im Zentralraum schmückte - bleibt anhand der erhaltenen Reste der Fragmente für immer unvollständig (siehe Abb. 26)1. Soweit anhand von Funden belegbar, war die Malerei des Kreuzgewölbes größtenteils blaugrau grundiert und mehrfarbig mit geometrischen Feldern - in Trapez- und Kreisformen - gefüllt, die durch rote Rahmenleisten unterteilt wurden. Eine Rekonstruktion der Deckenmalerei steht noch aus.

Expand Expand Abb. 26
Sechs Möglichkeiten der Deckenwölbung in der römischen Architektur (Quelle: Koch, 1988 (1-3); MNHA/Rainier Fischer, 2022 (4-6))

Legende Abb. 26

  1. Tonnengewölbe
  2. Kreuzgratgewölbe
  3. Klostergewölbe
  4. Kombination von Flach- und Tonnengewölbedecke (Pompeji)
  5. Kombination von Kreuzgratgewölbe und Tonnengewölbedecke (mögliche Vichten-Variante)
  6. Kombination von Kreuzgratgewölbe und Tonnengewölbedecke (mögliche Vichten-Variante)

Eindeutig für das Vorhandensein eines Kreuzgewölbes sprechen die vorgefundenen architektonisch relevanten Malereireste. Das Kreuzgratgewölbe ist eine Weiterentwicklung des Tonnengewölbes. Es entsteht durch die rechtwinklige Kreuzung zweier gleich hoher Tonnengewölbe. Die Längen der vier Tonnenkappen können variieren.

Vor allem zwei Fragmente der West- und Ost-Wand zeigten den Eckansatz des Widerlagenpunktes mit den zwei Schildlinien und dem Diagonalgrat (siehe Abb. 27 und rot markiert Abb. 26). Ob die ganze Decke mit einem Kreuzgewölbe überspannt wurde, kann nur eine - noch ausstehende – Analyse der Malereireste beantworten. Als mögliche Variante, anlehnend an bekannte Beispiele aus der Kombination von Tonnengewölben und Flachdecken aus Pompeji (; ), ist auch eine zweigeteilte Deckenkonstruktion denkbar: Die ersten beiden Drittel der Decke über dem Figurenmosaik in Kreuzgewölbemanier. Der hintere Teil, über dem Speisebereich, dem triclinium, mit einer tiefer hängenden Flachdecke. Diese mögliche Raumsituation im Vichtener „Musen-Mosaik-Saal“ zeigt die zweigeteilte Deckengestaltung mit mehrfarbigen Wandmalereien in den römischen Stadthäusern aus der REGIO I, II und III aus Pompeji auf: volle Raumhöhe im vorderen und tiefer liegendem Gewölbedecke im hinteren Bereich.

Expand Expand Abb. 27
Deckenmalereifragment vom Eckansatz des Widerlagepunktes (rot markiert Abb. 26) (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Ein weiteres Fragment der mehrfarbigen Deckenmalerei steht exemplarisch für den Übergang von der Wand zum seitlichen Bogen. Interessanterweise beginnt die Krümmung nicht, wie zu erwarten, direkt an der Wand, sondern liegt auf einem umlaufenden Vorsprung oder Gesims 2. Allseitig wurde ein Vorsprung gemauert, um die Lattung für die Unterkonstruktion der Deckenmalerei an den Wänden zu fixieren. Des Weiteren wurden so der Druck und Schub des Gewölbes aufgefangen und an die Mauer weitergeleitet. Auch zur Vermeidung von Rissbildung wurde diese Technik eingesetzt. Selbstredend hing die Hauptlast der Decke an einer tragenden und raumübergreifenden Balkenkonstruktion, deren Enden in Maueröffnungen ruhten.

Ebenfalls sind farbige Putzreste der inneren Fensterleibung von Oberlichtern unter den Funden. Vielleicht Rundbogenfenster, welche, oben halbkreisförmig abgeschlossen, die Kräfte der Last abfingen und ableiteten. Einige Fragmente, die dem Fenstergewände oder der Sohlbank zugeordnet werden konnten, knickten naturgemäß um beinahe 90 Grad ab (siehe Abb. 28 und blau markiert Abb. 26). Eine rote Rahmenleiste der mehrfarbig ausgeführten Malerei konturierte die Fensterwölbung.

Ein singuläres Malereifragment, mit Resten von weißer (Grundierung?) und roter Farbe, ist nicht der Deckenkonstruktion wie oben beschrieben zuzuordnen. Der fast quadratische Rest (12,5 x 13 cm) ist in einer gleichmäßigen Wölbung in den Diagonalen von 0,8 cm und 1 cm ausgeformt. Der Putzaufbau entspricht dem eines verputzten Ziegels vom Wandverputz. Rückseitig sind keine Abdrücke der Holzlattung, Leisten, Schnüren oder den Schilfbündeln zu erkennen. Die starke Wölbung spricht für eine Ausstattung einer Wandnische, vielleicht einer Ädikula.

Expand Expand Abb. 28
Mehrfarbiger Deckenmalereirest mit Ansätzen vom Gewölbe und Gesims in Seitenaufsicht (blau markiert Abb. 26) (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2021)

Legende Abb. 28

Mehrschichtiger Aufbau des Deckenputzes:

arriccio

  • 1a Grober heller Kalk-Sand-Unterputz mit Abdrücken der Holzlattung, 1-2 cm
  • 1b Grober Ziegel-Kalk-Sand-Putzuntergrund, 1 cm

intonaco

  • 2a Feiner Ziegel-Kalk-Sand-Oberputz, 1-1,5 cm
  • 2b Polierfähiger Oberputz aus Kalk-, Marmor- und Quarzsand, < 1 mm
  • 3 Mehrfarbige Fresko- oder Seccomalerei

  1. . Siebentes Buch. Zweites Kapitel. Vom Löschen des Kalks und den Vorbereitungen für die Herstellung von Stuck. S. 321. 2. „Dann aber müssen nach Aufstellung von Gerüsten die gewölbten Decken in den Zimmern hergestellt werden, wenn dies nicht etwa mit getäfelten Decken ausgestattet sind.“ ↩︎

  2. . Siebentes Buch. Drittes Kapitel. Anlage von gewölbten Decken. Bereitung von Stuck und Verputz S. 323: 3. „Sind die Gewölbe geglättet, so müssen an ihren Unterkanten Gesimse angebracht werden, die, wie es scheint, möglichst dünn und zart gemacht werden müssen. Sind sie nämlich groß, so werden sie durch ihr Gewicht nach unten gezogen und könne sich nicht halten“. ↩︎

Bibliografie

Istituto della Enciclopedia Italiana 1990-1999
Istituto della Enciclopedia Italiana (1990-1999). Pompei, pitture e mosaici, 1-5. Milano.
Nonet 2017
Nonet, E. (2017, Oktober 18). 2000 ans plus tard, les fresques retrouvées. In Le Quotidien. https://lequotidien.lu/politique-societe/2-000-ans-plus-tard-les-fresques-retrouvees/
Vitruv 2013
Vitruv (2013). Zehn Bücher über Architektur (C. Fensterbusch, Übersetzer). Darmstadt.