2.7.2. Lagerstätten

Durch die nachrömischen Abbautätigkeiten wurden die römischen Spuren bergmännischer Tätigkeit durch spezialisierte Steinbrucharbeiter in den Lagerstätten und Steinbrüchen weitestgehend zerstört. Das erschwert die Möglichkeiten des Nachweises derselben durch eine petrographisch-chemische Analyse. Bis heute sind nur wenige antike Marmorsteinbrüche in Belgien, der Aachener Region und im Odenwald zweifelsfrei nachgewiesen (; ).

Neben den Vorkommen des blaugrauen bis schwarzen Kohlenkalks mit fossilen Einschlüssen in Belgien, dem „Blaustein - Bleu Belge“ bei Soignies, dem „Petit Granit“ im Boqtal östlich und Molignéetal westlich von Yvoir an der Maas (Provinz Namur), lagen weitere römische Steinbrüche, bei Theux („Noir de Theux“) an der Hoëgne, der über die Weser zur Ourthe abfließt (Provinz Lüttich) und bei La-Roche-en-Ardennne im Tal der Ourthe, ein Nebenfluß de Maas (Provinz Luxemburg) (). Vor allem die anstehenden Marmorsorten mit Kalzitadern aus der Umgebung von Namur („Noir de Namur“), Philippeville und Dinant („Noir de Dinant“) waren begehrt (). Beim Auffalten des Gebirges durch tektonische Verwerfungen füllte Kalzit die Risse und Spalten und führte zu den geäderten Kalksteinen, dessen buntes und spektakuläres Farbspektrum, von rosa über rot zu grau, vor allem bei den Römern beliebt waren (). Einlagerungen von Abbauprodukten der Faulschlämme oder Eisenmineralien am Meeresgrund führten zur rosa bis roten Färbung des Marmors.

Der beschwerliche Transportweg zu Land mit dem Fuhrwerk von La-Roche-en-Ardennne nach Vichten (rund 70 km), war dem von Theux (über 100 km) vorzuziehen. Zumal die römische Fernstraßenverbindung Arlon-Tongern in unmittelbarer Nähe des Ourthe-Tales verlief. Von dort führte eine Querverbindung, ein diverticulum, zu der südlich gelegenen Hauptachse, der Heer- und Handelsstraßenverbindung Reims-Arlon-Bitburg-Köln. Einmal auf dieser Fernstraße angekommen, gelangte der Steintransport nach einer kurzen Strecke über ein weiteres diverticulum zum Knotenpunkt bei Schandel. Nach einem kurzen Abschnitt auf der Römerstraße Arlon-Bitburg gelangte das Fuhrwerk ins nächste Tal zur Vichtener Villa. In Stroh stoßsicher eingepackt, konnten die Kalksteinplatten den Straßentransport ohne großen Schaden überstehen. Die maximale Länge der in Vichten verarbeiteten Steinplatten war bestimmt auch der limitierten Transportfläche des Ochsen- oder Mauleselgespanns geschuldet (Abb. 36). Maximal 1,5 Tonnen konnte so ein Karren transportieren (). Auf der Westseite des Igeler Pfeilermonuments der römischen Familie der Secundinier, passiert ein vierrädriger Lasten- oder Transportwagen (lat. carrus) ein Tor. Der schwer beladene Wagen wird auf der plastischen Reliefszene von drei Mauleseln gezogen.

Expand Expand Abb. 36
Westseite des Igeler Pfeilermonuments der Familie der Secundinier (Quelle: Rheinisches Landesmuseum Trier)

Im Gegensatz zu den Lagerstätten des graublauen Kohlenkalks, lagen die von den Römern bevorzugten Steinbrüche des graubeigen, mit Kalzitadern versehenen, „Gris des Ardennes“ unter anderem bei Vodelée, Gochenée und Soulme (Provinz Namur) an der Maas im Dinant-Becken südwestlich von Dinant (; ). Von Soignies, Namur, Yvoir oder Vodelée war der Transport zu Land oder zu Wasser über die Maas möglich. Zwischen Vodelée und Vichten ist eine Wegstrecke von 125 km zurückzulegen, die sich für den Transport von zurechtgeschnittenen und formatierten Steinplatten für die Boden- und Wanddekoration auf dem gut ausgebauten Fernstraßennetz ebenfalls anbot. In der Maasregion um Soignies, Yvoir und Vodelée und dem Ourth- und Amblève-Tal sind Infrastrukturen, wie unter anderem wassergetriebene Steinsägen, vorauszusetzen, die die Kalksteinquader und -platten für die jeweiligen Transportwege vorformatierten.

Im Maximaltarif von Kaiser DIOKLETIAN () aus dem Jahre 301 n. Chr. wurden für den Gütertransport zu Land fünfmal höhere Kosten als zu Wasser angeführt, die einer kritischen Überprüfung dieser „besonders problematischen Quelle“ bedarf (). In unserem Fall ist die kurze Wegstrecke von 70 km von La-Roche-en-Ardennne bis Vichten auf dem Landweg gegenüber dem Wasserweg der Ourth-Maas-Rhein-Mosel-Strecke konkurrenzlos günstiger. Die römischen Bildhauer von Maastricht bevorzugten die „verkehrsgünstigeren Kalksteinvorkommen des oberen Maastales südlich von Sedan beziehungsweise Verdun. Und nicht die Steinbrüche von Norroy-lès-Pont-à-Mousson und anderen Orten an der Mosel.“ (). Sofern dieser natürliche Wasserweg überhaupt über genügend Fahrwassertiefe für die flachen Kähne verfügte, war allein bis zum sicheren römischen Hafen in Trier eine Strecke von über 800 km zu bewältigen.

Bibliografie

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