2.8. Wandvertäfelungen aus Marmor

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Grabungsplanausschnitt Raum 1 (Quelle: MNHA/Rainier Fischer auf Grundlage von Véronique Biwer)

Bedauerlicherweise wurden neben den Decken- und Wandmalereifragmenten auch große Teile der Innenausstattung zerstört. So unter anderem die außergewöhnlich großformatigen Naturstein-Inkrustationen (lat. crustae) der Wandvertäfelung im Zentralraum.

Reiche Marmorausstattung erfreute sich in der römischen Gesellschaft hoher Wertschätzung. Ausgehend im 2. Jahrhundert v. Chr. () nimmt im 1. Jahrhundert die luxuriöse Ausschmückung der privaten römischen Villen und Stadtpaläste an Fahrt auf. Bis dahin wurden überwiegend private Räume mit Wandmalereien ausgeschmückt, die Marmorinkrustationen imitierten. „Eine Ausnahme ist die römische Palastvillenanlage aus Echternach, die in die spätneronische-frühflavische Zeit (zwischen 60 n. Chr. und 70 n. Chr.) datiert“ (). Beispielhaft für den Marmorluxus in den nördlichen Provinzen im 3. Jahrhundert () steht der Befund im ländlichen Vichten. Wobei rezente Entdeckungen in den gallo-römischen Villen in Contern von Inkrustationsresten () und Schieren - die Grabungen sind noch nicht abgeschlossen - zeigen, neben ungewöhnlichen Deckenmalereien (), auch Wandmalereien mit Täfelungsimitaten noch später beliebt waren (siehe Abb. 37).

Expand Expand Abb. 37
Fotomontage der Wandmalerei mit Marmorvertäfelungsimitat aus Schieren (unten) und Rekonstruktion aus Vichten mit Marmorvertäfelung, im Zentrum eine Raute mit der Diabasscheibe (oben) (siehe Abb. 45 und 54) (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2022)

Dort, wo im November 1994 die Baggerschaufel die 1,70 m hohen Mauern kappte und das Mosaik zwischen dem linken Eckzwickel und der Muse AERATO beschädigte, räumte der Bagger zusätzlich auf einer Länge von 2 m beim Ausschachten die Reste der Vertäfelung ab. In Zahlen bedeutete dies einen weiteren Verlust von etwa einem Drittel der Marmorplatten auf der West-Seite des Mosaikraums.

Nicht nur im Zentralraum, auch in den Nebenräumen 2 und 3 und dem Portikus 0 verteilten sich Marmorbruchstücke im Zerstörungshorizont. Während augenscheinlich der untere Bereich der Inkrustation durchgehend aus dem dunklen Werkstein bestand, konnten etwa genauso viele weiße Stücke aus dem Schutt geborgen werden. Im Hinblick auf das Farbspektrum des „Musen-Mosaiks“ passte kongenial als aufwertende Ergänzung eine schwarz-weiße Täfelung. Die starke Hitzeeinwirkung, verursacht durch eine Brandkatastrophe, verschlechterte die Kristallstruktur der in der oberen Schuttschicht liegenden Werksteine und führte zu starken Farbveränderungen.

In situ waren nur noch 20 cm bis 30 cm hohe Reste der von dem Steinmetz1 passgenau zusammengesetzten schwarzgrauen, fossilhaltigen Marmorplatten der unteren umlaufenden Reihe erhalten (siehe Abb. 38). Ihre Längen betrugen nachweislich bei 14 Platten zwischen 166 cm und 161 cm, bei jeweils einer 153,8 cm und 116 cm und bei weiteren zwei kleineren jeweils 50 cm und 47,2 cm. Anhand der geborgenen Bruchstücke war eine abschließende Rekonstruktion der Gesamthöhe der Vertäfelung nicht mehr möglich, da die entsprechenden Passstücke fehlten.

Expand Expand Abb. 38
Das freigelegte Bodenmosaik mit den Mauer- und Marmorplattenresten der Täfelung mit „Noir de Namur“ unter der modernen Betonplatte, Nord-Ost-Ecke (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)

Gegen die Option einer Funktion als Sockelleiste spricht allein die rekonstruierbare Höhe von 63 cm (= 2 pes) der unteren schwarzen Marmorplattenreihe aus zusammengesetzten Fragmenten der Nord-Ost-Ecke (siehe Abb. 39). Rechnet man für die zweite umlaufende Marmorplattenreihe aus weißem Marmor die gleiche Höhe, wurden die Ost-, West- und Nordwand bis maximal 126 cm sichtbar vertäfelt. Nicht mit eingerechnet für die rekonstruierte Höhe sind die beiden Gesimse von zusammen 40 mm bis 45 mm Dicke, da das Mosaik die Vertäfelung um etwa diesen Betrag verdeckte.

Die Vichtener Wandgliederung durch breitrechteckige Marmorplatten orientierte sich am 2. pompejianischen Stil. Die Felder-Lisenen-Gliederung, die sich aus der klassischen Zeit weiterentwickelte, mit breitrechteckigen Orthostaten, blieb bis in die Spätantike für die Wandmalerei allgemein stilbildend (siehe Kapitel Freskenmalerei). Dies galt ebenso in der Ausschmückung der Wände mit Sockel, Rechteck, Fries und Oberwand. Das auch zur Gestaltung der Innenwände neben den hochgestellten auch querliegenden Rechtecken schon im dritten Viertel des 1. Jahrhunderts in Erscheinung treten, wie später in Vichten bezeugt, belegt ein Fund aus der Casa del rilievo di Telefo aus Herculaneum-Ercolano (). Die untere Plattenreihe der Inkrustation - im gleichen schwarzgrauen Marmor wie die Mosaikrandsteine gehalten - markiert den fließenden Übergang von der Kunstgattung Bodenmosaik zum wertsteigernden Ornament der Wandpolychromie.

Expand Expand Abb. 39
Teilrekonstruierte breitrechteckige Marmorplatte (Orthostat) aus fossilhaltigem Kohlenkalk mit langrechteckiger Reparaturstelle (horizontale und vertikale Glättungsspuren), Nord-Ost-Ecke (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

In die teilrekonstruierte breitrechteckige Marmorplatte wurden zwei rechteckige vorgefertigte Passstücke sehr genau in die materialbedingte Fehlstelle eingefügt. Eindeutig sind horizontale und vertikale Glättungsspuren im Bereich der Reparatur sichtbar. Da die 160,6 cm lange, bis zu 4,8 cm dicke und 63 cm hohe Kohlenkalkplatte mit der Benachbarten eine kleine Stufe bildete, wurde rechts grob mit Meißel und Spitzhammer die Kante gebrochen und begradigt, aber nicht abschließend poliert. Idealerweise vereinfachten die nach innen abgeschrägten Bruchkanten das Zusammensetzen der Marmorplatten untereinander.


  1. . SCVTVLARIVS. S.29. Für die handwerkliche Ausführung der marmorverkleideten Innenwände, arbeitete der Mosaizist mit dem scutularius zusammen. „Abgeleitet von scutula = „Raute, Rhombus“ bezeichnet scutularius den Arbeiter, der ein Rhombenmuster verlegt.“ „… es hat dabei offensichtlich eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden. Es zeigt sich, dass „in der Regel auf die Marmorverkleidung der Innenwände Bezug“ genommen wurde. ↩︎

Bibliografie

Dövener 2019
Dövener, F. (2019). Die gallo-römische Villa unter Contern - Ergebnisse der ersten Ausgrabungskampagne. In Archaeologia Luxemburgensis, 5, S. 110-143. Bertrange.
Donderer 1989
Donderer, M. (1989). Die Mosaizisten der Antike und ihre wirtschaftliche und soziale Stellung. Erlangen.
Madaus & Karioth 2020
Madaus, A., & Karioth, A. (2020). Römischer „Marmorluxus“ in Rheinhessen. In Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung. Jahrgang 12/2019, S. 20-37. Mainz.
Mielsch 1985
Mielsch, H. (1985). Buntmarmore aus Rom im Antikenmuseum Berlin. Berlin.
Nonet 2017
Nonet, E. (2017, Oktober 18). 2000 ans plus tard, les fresques retrouvées. In Le Quotidien. https://lequotidien.lu/politique-societe/2-000-ans-plus-tard-les-fresques-retrouvees/