3.5. Restaurierung

Da die abgeklebten Mosaikstücke mit der gesicherten Oberfläche seitenverkehrt auf leichten Holzträgerplatten montiert waren, konnte im Atelier geduldig und mit der nötigen Konzentration und Ausdauer die rückseitige Fundierung in strappo-Manier flexibel abgetragen werden. Im Gegensatz zur stacco-Methode wird beim strappo-Verfahren die kompakte Putzfundierung bis zum Malgrund und/oder Farbauftrag, beziehungsweise der Estrich der Mosaiksteine, abgelöst.

Die hohe Güte und sichere Klebung der Mosaiksteine erforderte die zeitaufwendige Entfernung des antiken Estrichs mit hochfrequenten Ultraschallmeißeln. Zunächst galt es jedoch, die mächtige Estrichpackung mit grobem Gerät, wie zum Beispiel Trennscheibe (siehe Abb. 85) und Meißel, anzulockern und abzuheben. Kontrolliert konnte so das harte Mörtelbett bis auf die Rückseite der Mosaikstein pulverisiert werden (siehe Abb. 86). Bald zeigten sich die durch den feinen antiken weißen Kalkbrei verschleierten seitenverkehrten farbigen Muster. Die gute Gewebebindung der Mosaiksteine durch den Knochenleim ließ ein zügiges Arbeiten, ohne Gefahr von Steinausbrüchen zu. Lediglich den porösen Terra-sigillata-Tessellae mangelte es an Haftung. Das poröse Volumen der Keramikmosaiksteine beschleunigte partiell beim Abkleben der Mosaikteile den Trocknungs- und einhergehenden Aushärtungsprozess des Hautperlleims. Dadurch verlor der Kleber an Klebekraft und es lösten sich diverse Mosaiksteine sowohl im Rahmen der Grabung, als auch bei der Restaurierung (siehe Abb. 87). Alle gelockerten oder losen Steine wurden umgehend auf dem Trägerstoff an Ort und Stelle eingedrückt und reversibel, also wasserlöslich, mit Holzleim verklebt. Ein Staubsauger und Bürsten reinigten zum Schluss die freigelegte Rückseite des Mosaikstücks von letzten Staubpartikel.

Expand Expand Abb. 85
Abtragung der oberen Estrichpackung mit grobem Gerät, Auschnitt aus Feld III (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1996)
Expand Expand Abb. 86
Nach der erfolgten Dokumentation der Rückseiten, erfolgte die kontrollierte Entfernung des antiken Bettungsmörtels mit einem Ultraschallmeißel, Ausschnitt aus Feld III (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1996)
Expand Expand Abb. 87
Freigelegte Rückseite des Mosaiks - reliefierte Terra sigillata-Steine im Verbund. Geringe Klebekraft der porösen roten TS-Mosaiksteine, Ausschnitt aus Feld II (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1996)

Natürlich wurde gewissenhaft schriftlich und fotografisch dokumentiert und anorganische sowie organische Proben für wissenschaftliche Untersuchungen entnommen. So konnten neue Einblicke in die römische Arbeitsweise und Herstellungstechnik begleitend mit den Beobachtungen auf der Grabung abgeglichen und vertieft werden. Für eine kleine Abwechslung sorgte das überraschende Auftauchen eines Schuh- oder Stiefelabdruckes, eines calceos et pero, der sich in der Ausgleichsschicht konturgenau abzeichnete (siehe Abb. 88). Der niedrige Stiefel, der fest um die Ferse gebunden wurde, war der ideale Arbeitsschuh der römischen Bauhandwerker. Aus dickem Leder hergestellt, konnte der mit einer Sohle versehene Schuh, dem Fuß ausreichend Schutz bieten. Während der vordere Fußballen gut erhalten war, blieb der Abdruck der Ferse undeutlich. Auch zwei Schuhnägel konnten in Form von Rostflecken, die sich während Jahrhunderten aus dem Eisen auf dem Mosaik bildeten, ihren Nachweis erbringen (siehe Abb. 89). Die abgerundeten Enden der Nägel sind in den schmalen Fugen der Mosaiksteine unbemerkt steckengeblieben.

Expand Expand Abb. 88
Vielleicht der Fußabdruck eines calceos et pero eines Bauhandwerkers im nucleus testa, Ausschnitt aus Feld IV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)
Expand Expand Abb. 89
Korrosionsrest eines steckengebliebenen römischen Schuhnagels im Musterrapport - Mosaikschauseite, Ausschnitt aus Feld II (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)

Neben porösen und mürben roten Steinwürfeln aus Keramik gab es auch solche mit vermehltem und abschieferndem Kalkstein im grünen Farbspektrum. Um den Haftgrund dieser Steine zu verbessern, wurden die betroffenen Steinreihen im Verbund als Vorbereitung mit Keramikkleber vorgefestigt (siehe Abb. 90). Mit einem Dispersionsklebstoff wurden anschließend großflächig die staubfreien freigelegten Mosaikrückseiten gefestigt und bildeten einen flächendeckenden Haftgrund für den neuen dünnen Kunstestrich.

Expand Expand Abb. 90
Festigung der mürben und porösen roten Steinkuben mit Cellulosenitrat auf der Mosaikrückseite, Ausschnitt aus Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1996)

Bevor der neue 1 cm dicke Ausgleichsmörtel aufgebracht werden konnte, wurden alle kartierten Mosaiksteine - die zur Einteilung der Felder entnommen worden waren - an ihre ursprüngliche Position zurückgeführt. Ebenso die Steine, die sich beim Freistemmen der Mosaikfelder auf der Grabung in Vichten lösten. Hier war ein Einfügen an der Originalstelle nur bedingt möglich. Alle Fehlstellen, seien es einzelne Steine oder größere Stellen, wurden ausgespart und mit Knete oder Styroporplatten geschlossen. Diese wurden später, als die Mosaikteile mit neuer Fundierung seitenrichtig auf dem Tisch lagen, von der Vorderseite mit neuem identischem Steinmaterial geschlossen.

Die Bewahrung der Authentizität des Mosaiks mit allen Unebenheiten stand während des gesamten Restaurierungsprozesses stets im Vordergrund. Hierbei wurde zwischen natürlichen Unebenheiten und Veränderungen durch Bergung und Transport unterschieden. Letztere wurden im Rahmen der Restaurierung begradigt.

Im nächsten Arbeitsschritt wurden die vorgefestigten Mosaikteile auf eine neue, vor eindringendem Kleber mit einer PVC-Folie isolierten Tischlerplatte, aufgezogen. Eine Einrahmung mit 16 mm hohen Holzleisten orientierte sich an dem erforderlichen Schichtenaufbau aus maximaler Mosaiksteinhöhe mit Kalikostoff und Dicke des neuen Bettungsmörtels. Mit langen Aluminiumrichtlatten konnte der Estrichüberschuss gleich einer Rakel klebefreundlich abgezogen und eingeebnet werden.

Der antike Bettungsmörtel wurde durch einen dünnen und reversiblen, zwischen 13 mm und 20 mm variierenden dicken Mörtel ersetzt. Dieser bestand aus Moselsand (Körnung 1 mm bis 4 mm), gemischt im Verhältnis 10:1 mit Mowilith D 025/1 und DH - Polyvinylacetat-Dispersion (Homopolymer), mit mitteldispersen Polyvinylalkohol als Schutzkolloid. Die Höhenunterschiede resultierten aus der Differenz zwischen den niedrigsten und höchsten Mosaiksteinen. Zur Stabilisierung des Bettungsmörtels wurde ein Armierungsgewebe aus Kunststoff mit eingearbeitet. Im Verbund mit einer starren Trägerplatte aus ultraleichten Aluminiumwabenplatten konnten das Gewicht um 80 % reduziert werden. Die Verklebung der Platte erfolgt mit Hilfe von Epoxidharz (Araldit H 103 mit Härter HY 956). Als Dickungsmittel wurde feiner Quarzsand im Verhältnis 5:1 eingesetzt. Ein weiterer Vorteil neben der Gewichtsreduzierung lag in der Reversibilität der neuen Bettung. Ohne großen Aufwand, der einen erneuten Substanzverlust bedeutet, lässt sich diese leicht vom Mosaik spalten und abstemmen.

Um eine kompakte und dauerhafte Klebung zu gewährleisten, mussten die Aluminiumwabenplatten, bis zur Polymerisation des Kunststoffklebers, gleichmäßig mit Sandsäcken beschwert werden. Überschüssiger, im Randbereich des „Sandwiches“ herausquellender Kleber, wurde selbstredend direkt entfernt.

Die erfolgte Aushärtung des Klebers ermöglichte das Herumdrehen des Mosaikteils und die finale Bearbeitung der Sichtseite. Mit reichlich Wasser und etwas Zeit weichte der Hautperlleim so weit auf, dass der Baumwollstoff vorsichtig und unter ständigem Nässen rückstandsfrei abgezogen werden konnte (siehe Abb. 91). Gleich mehrere Effekte hatte die Klebung und das Einweichen mit reichlich Wasser hinsichtlich der Oberflächenreinigung: zum einen war der Schmutz größtenteils im Kleber gebunden und zum anderen wurden Bodensalze mit ausgewaschen (siehe Abb. 92). Die Durchdringung der Bodensalze hatte den positiven Effekt, dass im Medaillon der Muse AERATO die Außenkante des verkürzten Einschubmosaiks sichtbar wurde. Die helle Steinreihe beginnt links mit einer Wellenbewegung unter den Füßen entlang dem gekürzten Möbel und endet abrupt an dessen Außenkante ganz rechts. Links oben sind die Zerstörungen durch den Baggereingriff zu erkennen.

Expand Expand Abb. 91
Das auf einer neuen Trägerplatte gesicherte Mosaikteil wurde gedreht um von der Vorderseite reinigen zu können, Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1996)

Der verbliebene Schmutz wurde ebenfalls durch das Einweichen gelöst und konnte, wie schon auf der Grabung bei der Vorreinigung geschehen, mit Seifenwasser, rotierender Bürste und Skalpell händisch behutsam entfernt werden. Eine unvorteilhafte Reinigung mit chemischen Mitteln, die der Gesundheit und dem Mosaik geschadet hätte, war nicht nötig.

Expand Expand Abb. 92
Verfärbung durch Gülle und Bodensalze im Medaillon der Muse AERATO. Außenkante des verkürzten Einschubmosaiks - mit einer weißen Steinreihe natürlich markiert, Ausschnitt aus Feld XIV, Blickrichtung nach Osten (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)