3.8. Indirekte Setzung

Ein gegenteiliges Ergebnis wurde durch die Füllung größerer Schäden im indirekten Setzverfahren erzielt. Im Gegensatz zum direkten Verfahren liegen die geklebten Würfel auf einer absolut ebenen Unterlage, auf die die seitenverkehrte Vorzeichnung skizziert ist. Hieraus resultiert ein unbelebtes Erscheinungsbild, da die Steinkuben zu eben und flach ausgerichtet sind. Der Kontrast wird überdeutlich beim seitenrichtigen Einbringen der indirekten Rekonstruktion in das vorbereitete Würfelbett. Diese andersartige Setzweise - für die Antike nicht sicher nachgewiesene Technik - ermöglichte uns aber, größere Leerstellen in Teilstücke zu zerlegen und am Tisch einzusetzen.

Als Unterlage diente eine maßstabsgerechte bunte Vorzeichnung auf einem 120 Gramm schweren Transparentpapier mit den Konturen der Fehlstellenränder (siehe Abb. 98). Ohne Setzlatten oder andere Hilfsmittel konnten nun die Steinwürfel mit der Schauseite nach unten auf die Arbeitsfläche mit löslichem Kleber gesetzt werden. Die Mischung des Klebers setzte sich wie folgt zusammen: 100 ccm Tapetenkleister, jeweils 1 Esslöffel Glycerin und Gummiarabikum. „Gummi arabicum“ ist ein natürlicher, aus dem Wundsaft der Akazienbäume gewonnener, Gummi. Zur Stabilisierung der Fugen war ein abschließender dünner Auftrag mit Fliesenkleber von Nutzen.

Expand Expand Abb. 98
Seitenverkehrte bunte Vorzeichnung der zu ergänzenden Fläche in indirekter Setzung, Ausschnitt aus Feld VII (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2000)

Kopfüber wurde nun das vorbereitete Feld auf den nassen Mörtel der Ausgleichschicht gestürzt und angepresst. Nach erfolgreicher Positionierung, entsprechend den Fluchtlinien des Musterrapports, sorgte eine zusätzliche Beschwerung mit Sandsäcken für eine stabile Klebung. Abschließend musste nach dem Aushärten des Mörtels die Vorzeichnung abgezogen und die Steinoberfläche mit Wasser gereinigt werden.

Naturgemäß entstehen mit dieser Setztechnik bei dem Zusammensetzen der vorfabrizierten Teile offene Nahtstellen, die es zu schließen galt. Neben diesen Nahtstellen mussten ebenfalls die Setzfugen, also die Übergänge zu den Mosaikfehlstellenrändern, im direkten Setzduktus geschlossen werden (siehe Abb. 99).

Expand Expand Abb. 99
Integration in das antike Mosaik mit dem Schließen der Fugen beziehungsweise der Übergänge von der Schauseite in direkter Setzung, Ausschnitt aus Feld VII (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2000)
Expand Expand Abb. 100
Ergänzung - rote Trennungsfuge markiert - mit neuem Steinmaterial und mit Kalkschlemme verfugt, Feld VII (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)

Wie das nun zu begutachtende Ergebnis zeigt (siehe Abb. 100), war die dritte Methode, die Ergänzung mit Naturstein in der direkten Setztechnik, die geeignetste, da die Schließung der Fehlstellen für das Auge sehr harmonisch wirkt. Dies liegt unter anderem daran, dass das gleiche Steinmaterial in der gleichen antiken Technik, direkt und indirekt in die zerstörten Flächen gesetzt beziehungsweise eingelassen wurde. Jedoch mit dem für das Auge nicht negativen Umstand, dass die neuen Steine im Farbton klarer und kräftiger als die Originalsteine erscheinen. Neben dem Materialcharakter und der Setzstruktur, spielte auch das Andamento eine große Rolle (). Somit ist für den Betrachter das Erkennen der ergänzten Zerstörungen durch die Material-Kompatibilität kein visuelles Problem und die Mosaikflächen verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen (Abb. 101 bis Abb. 105).

Um dem antiken Erscheinungsbild und der Ausstrahlung eines frisch verlegten Mosaiks möglichst nahe zu kommen, wurden alle Fehlstellen mit reinem Kalkschlicker verfugt. Wie bereits beschrieben, wurden keine antiken Abnutzungsspuren dokumentiert, was eine solch ungewöhnliche Vorgehensweise ermöglichte. Entsprechend den handwerklichen Empfehlungen VITRUV‘s, nach dem Abschleifen die Schmuckfläche zu polieren (siehe Kapitel Werkentwurf und Verlegung), wurden auch die fertigen Mosaikteile mit flüssigem Edelhartwachs zusätzlich gefestigt und aufgefrischt. Dies hatte neben dem positiven Effekt der Farberhöhungen auch einen Schutz und Festigung der offenporigen Steinoberflächen.

Expand Expand Abb. 101
Vorzeichnung, Ausschnitt aus Feld XIX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2000)
Expand Expand Abb. 102
Indirekte Setzung, Ausschnitt aus Feld XIX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2000)
Expand Expand Abb. 103
Einpressen der indirekten Setzung in die offene Stelle im Mosaik, Ausschnitt aus Feld XIX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2000)
Expand Expand Abb. 104
Schließen der Fugen, Ausschnitt aus Feld XIX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2000)
Expand Expand Abb. 105
Restauriert, Ausschnitt aus Feld XIX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2000)

Die oft gestellte Frage, nach der Dauer einer Verlegung eines Steinteppichs in der Größe des „Musen-Mosaiks“, hängt von mehreren Parametern ab: Da wären die Vorarbeiten, wie das korrekte Planieren des Untergrundes und Anlegen des Estrichs, dann die Übertragung des Karton auf den Unterbau oder das Zurechtschlagen der kleinen Steinwürfel müssten ebenso berücksichtigt werden, wie das Zeichnen des Entwurfs und die einzelnen Transportzeiten. Zeitgleich zu den Vorarbeiten für den Unterbau in der Villa, konnten in der Werkstatt die Medaillons in den Setztabletts vorbereitet werden. Anhand der in Vichten nachgewiesenen Tagewerke im Speisebereich, war es möglich, innerhalb einer Saison zwischen Frühjahr und Herbst, ein Mosaik von rund 60 qm zu verlegen. Unter dem Vorbehalt, dass mehrere speziell ausgebildete Mosaizisten, in der hierarchisch aufgestellten Werkstatt, an dem Kunstwerk arbeiteten.

Bibliografie

van Treek & Vaassen 2005
van Treek, P., & Vaassen, E (2005). Aktuelle Entwicklungen bei der Präsentation fragmentarisch überlieferter Glasmalereien und Mosaiken. In U. Schädler-Saub (Ed.), Die Kunst der Restaurierung, S. 200-213. München.