4.1.2. Mosaiksteinabfall

Ein seltener Fund verbarg sich in der nordwestlichen Ecke vom Raum (Gang) 4 unter dem Freskenmotiv Panther I in der Nähe des Durchgangs zwischen Raum 2 und Raum 5. Auf Höhe des antiken Laufniveaus lagen verstreut Abschlagreste und Reste von bunten Steinchen, die nur sehr schwer im Schutt auszumachen waren. Bei genauerem Hinsehen entpuppten diese sich als Schnittabfälle und Halbfabrikate von Mosaikwürfeln (; ; ), benötigt für die Herstellung des Fußbodenmosaiks. Durch die Hitzewirkung, verursacht durch Zerstörung und Brandschatzung, hatten sich die Farben des Steinmaterials verändert. Unterschiedlichste Größen und Tönungen von kleinen würfelförmigen Steinen lagen zwischen den Abschlagsresten. Die Seitenkanten der kleinen Kuben waren nicht immer gleich lang. Alle erdenklichen geometrischen Formen, mal schmal, mal dick variierten im diversen Grundmaterial. Um die Sichtseite eben zu gestalten, war, bedingt durch die verschiedenen Höhen des Ausgangsmaterials, besonderes Geschick des Künstlers beim Sortieren und Setzen der Steine gefordert. Sogar Kleinstmosaikwürfel - Terra sigillata und Buntmarmor, zur kleinteiligen Ausgestaltung der farbigen Figuren vorbehalten - mit einer Seitenlänge von 3 mm, 4 mm und 5 mm, konnten aus den Steinabfällen gelesen werden (siehe Abb. 110).

Expand Expand Abb. 110
Steinabfall vom Zurechtschlagen der Würfel und fertige Mosaikwürfel aus Raum (Gang) 4, Nord-West-Ecke (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Die gleiche Steingröße, Farbgleichheit und die unmittelbare Nähe zum nebenanliegenden Mosaik lassen vermuten, dass hier die Reste eines Mosaikdepots beziehungsweise einer der Werkplätze zum Vorbereiten und Schlagen der tessellae lag. Neben vereinzelten sehr kleinen Terra-sigillata-Würfeln waren vor allem die für den hinteren Mosaikbereich, dem triclinium, notwendigen Farben Weiß und Grau-Schwarz vertreten. Wie wir noch unten sehen werden, wurden die Verlegearbeiten am Mosaik in diesem Bereich unzureichend ausgeführt. Allem Anschein nach haben auch die Mosaizisten während der umfangreichen Renovierungs- und Umbaumaßnahmen die Baustelle zügig aufgelassen und ihren zum Teil wertlosen Steinabfall liegenlassen.

Parallel zu den Freilegungs- und Bergungsarbeiten in den angrenzenden Räumen wurde auch das lokalisierte Mosaik, im dem von der Betonplatte nicht verdeckten Bereich, Schicht für Schicht von den Bodenlasten befreit. Der hohe Bodendruck, verursacht durch Trümmerschichten und eingeschwemmte Erde und im Zusammenspiel mit der schlechten Fundierung im ehemaligen Nebenraum in der hinteren Nord-Ost-Ecke, hatten das Bodenmosaik muldenartig abgesenkt (siehe Abb. 38) und führten zur Dehnung und Verzerrung der Mosaikfläche. Immer wieder wurden neben Wandmalereibruchstücken auch Reste der ehemals hölzernen Dachkonstruktion, wie Eisennägel und Bleireste, neben kleineren Glas- und Bronzeteilen, eingesammelt.

Jeweils ein verschleppter Hypokaustziegel lag im Eingangsbereich der Portikus 0 zum Hauptraum 1 und in der modernen Störung. Ein Beleg, dass im vornehmen Landgut eine Fußbodenheizung (lat. hypocaustum) mit Holzfeuerung (lat. praefurnia) in Betrieb war, um den Eigentümern die Annehmlichkeiten, zum Beispiel eines beheizten Badebetriebs mit Warm- (lat. caldarium) und Kaltbad (lat. frigidarium), zu ermöglichen.

Entgegen der sonst üblichen Hypokaustierung () der Zentralräume zur Ganzjahresnutzung in römischen Villen, lag das „Musen-Mosaik“ nicht auf einem Schwebeboden. Als Zeugen der wirtschaftlichen Blüte und des aufkommenden Wohlstands im 2. Jahrhundert1, zeugen „Reste von Hypokaustanlagen und Wandmalereien“ ().

Bei einer Hypokaustierung wird der Hohlraum von Stelzen getragenen und die warme Heizungsluft strömt gleichmäßig unter dem Boden verteilt und kann den darüber liegenden Raum durch die Strahlungswärme rauchfrei wohnlich aufheizen. Einer der Gründe für den guten Erhaltungszustand ist das Fehlen einer solchen, sonst wäre unter der Last der Trümmer auch das Vichtener Mosaik mit dem „hängenden Fußboden“ in den Hohlraum verstürzt und unwiederbringlich zerstört worden.


  1. . Text und Übersetzung. S. 35. „Was Bäder, die, am Sockel des Flusses errichtet, rauchen, wenn Mulciber“ – Anm. d. Verf.: Beinamen des bei den Kelten beliebten Schmiedegottes HEPHAISTOS/VULCANOS – „aus seinem glühenden Versteck herausgelockt, seinen keuchend ausgestoßenen Feueratem durch die hohlen Wandverkleidungen sich emporwälzen lässt und den eingeschlossenen Dampf mit seinem Gluthauch zusammenballt? Gesehen habe ich, wie manche, die vom vielen Schwitzen im Bad erschöpft waren, die Bassins und die Kühle der Becken verschmähten, um sich am lebendigen Wasser zu laben, dann durch den Strom erquickt…“. ↩︎

Bibliografie

Ausonius 2004
Ausonius, D. M. (2004). Mosella. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Paul Dräger. Düsseldorf und Zürich.
Balmelle & Darmon 2017
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Delbarre-Bärtschi, S. (2014). Les mosaïques romaines en Suisse, In Antiqua 53. Archäologie Schweiz. Basel.
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Metzler, J., Zimmer, J., & Bakker, L. (1981). Ausgrabungen in Echternach. Luxemburg.
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Roller, O. (1990). Wirtschaft und Verkehr. In H. Cüppers (Ed.), Die Römer in Rheinland-Pfalz, S. 258-296. Stuttgart.