4.1.6. Werkzeug

Dem antiken Handwerker standen mehr oder weniger die gleichen Handwerkzeuge zur Verfügung, wie wir sie heute noch kennen (): kleine Maurerkelle, Meißel, Spitzhammer zum Schneiden von Steinen, Fuchsschwanz oder Steinsäge (lat. serra dentata), Winkelmaß, Senkblei, Stechzirkel, Maßstab ½ pes (1 pes = 29,57 cm) (siehe Abb. 111). Mit diesen Werkzeugen war ein gut ausgebildeter und gewillter Handwerker in der Lage, den berechtigten Ansprüchen VITRUV‘s und des Auftraggebers gerecht zu werden1.

Expand Expand Abb. 111
Auswahl an römischen Werkzeugen aus der Sammlung des MNHA, die Beispielhaft beim Verlegen des Mosaiks zum Einsatz kamen (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Wie schwierig es war, zur Zeit der Renovierungs- und Umbaumaßnahmen an der „Römer-Villa“ in Vichten vernünftig ausgebildete Handwerker und Architekten zu engagieren, zeigte die Initiative von Kaiser SEVERUS ALEXANDER im Jahre 228 (). Ein kaiserliches Dekret aus dieser Zeit regelte die Gründung einer staatlichen Schule für Baumeister (Architekt und Ingenieur), aber nur für Freigeborene, um den enormen Bedarf an Fachkräften sicher zu stellen.

Finanziell waren der Mosaiksteinhersteller oder Steinmetz (lat. lapidario structori) dem Mauerer (lat. caementarius oder structor), dem Estrich- und Kalkspezialisten (lat. calcis coctori), dem Zimmermann (lat. carbentarius), Schmied (lat. ferrarius) und dem „Rhombenmusterleger“ (lat. scutularius) gleichgestellt, da beide im Jahre 301 n. Chr. maximal 50 Denare pro Tag verdienten (). Dies geht aus dem aufschlussreichen Edikt des Kaiser DIOKLETIAN hervor, dass Höchstpreise für Dienstleistungen und Produkte auflistet. Die Bauhandwerker galten als minderqualifizierte Arbeitskräfte und wurden entsprechend entlohnt. Aus diesem Preisedikt geht ebenfalls hervor, dass der Wandmosaizist (lat. museiario) und der Bildhauer (lat. marmorario) - der auch Wände und Fußböden mit verschiedenartigen Natursteinplatten zusammen mit dem scutularius verkleidete - jeweils 60 Denare, der einfache Wandmaler oder Anstreicher (lat. pictor parietario) 75 Denare und der Maler für figürliche Motive oder Porträts (lat. pictor imaginario) stolze 150 Denare verdiente. Es erstaunt, dass der explizit im Maximaltarif genannte Fußbodenmosaizist (lat. tessellario) mit 50 Denaren nicht dem gehobenen Kunsthandwerkerstand angehörte und noch weniger als der Wandmaler und Wandmosaizist verdiente (). Wobei beide wahrscheinlich neben dem setztechnischen und künstlerischen Anspruch vielleicht auch durch das höhere Unfallrisiko auf dem wackligen Baugerüst besser entlohnt wurde2.


  1. . Erstes Buch. Erstes Kapitel. Die Ausbildung des Baumeisters. S. 25. 3. „Denn weder kann Begabung ohne Schulung noch Schulung ohne Begabung einen vollendeten Meister hervorbringen. Und er muß im schriftlichen Ausdruck gewandt sein, des Zeichenstiftes kundig, in der Geometrie ausgebildet sein, mancherlei geschichtliche Ereignisse kennen, fleißig Philosophen gehört haben, etwas von Musik verstehen, nicht unbewandert in der Heilkunde sein, juristische Entscheidungen kennen, Kenntnisse in der Sternenkunde und vom gesetzmäßigen Ablauf der Himmelserscheinungen besitzen.“ ↩︎

  2. . A 91. S. 93. Aufschlussreich ist der kaiserzeitliche Grabstein des Wandmosaizists (museiarius) Hermas aus Benevent in der Region Kampanien (Italien): „Hier liegt der Wandmosaizist Hermas begraben, der noch in der Blüte der Jugend stand. Während Hermas in der Höhe des Nymphäums bunte Figuren bilden wollte, stürzte er herab und ist nun durch das Gewicht dieses (Grabsteins) eingeschlossen. Nicht versiegende Tränen ließ er seinem Erzeuger Carpus zurück. Er lebte 21 Jahre, 8 Monate und 7 Tage. Der todunglückliche Vater Carpus, Sklave der Kolonie, hat (das Grabmal) herstellen lassen.“ ↩︎

Bibliografie

Donderer 1989
Donderer, M. (1989). Die Mosaizisten der Antike und ihre wirtschaftliche und soziale Stellung. Erlangen.
Eisenmenger 2007
Eisenmenger, M. (2007). Der Architekt [Doktorarbeit, Kassel University]. Kassel.
Lamprecht 1996
Lamprecht, H.-O. (1996). Opus caementitium. Bautechnik der Römer. Köln.
Lauffer 1971
Lauffer, S. (1971). Diokletians Preisedikt. In O. Gigon et al. (Eds.), Texte und Kommentare. Eine Altertumswissenschaftliche Reihe, 5. Berlin.
Rebetez 1997
Rebetez, S. (1997). Mosaïques. Avenches.
Vitruv 2013
Vitruv (2013). Zehn Bücher über Architektur (C. Fensterbusch, Übersetzer). Darmstadt.