4.2.5. Eigenarten der Verlegetechnik

Schon während der Freilegung und Bergung des Mosaiks im Juli 1995, wurden verschiedene Beobachtungen am Mosaik gemacht, die von Anfang an und über die Restaurierung hinaus fotografisch und zeichnerisch festgehalten wurden. Hierzu zählen: Aufbau der Medaillons, Richtungsänderungen im Verlegen des Rapports, Konturierungen der Figuren, Farbschattierungen, das Setzen von Glanzlichtern oder Fehler im Aufbau, beispielsweise falsche Zentrierung der Einschubmosaiken, falsche Farbwechsel in den Flechtbändern, mangelhafte Ausführung der finalen Verlegearbeiten und einfachste Fehler beim Aneinanderreihen und Linieren von Steinen.

Am Beispiel des Zentralmedaillons mit den beiden Hauptfiguren, dem Dichter Homer und der Muse Kalliope, lassen sich standardisierte Eigenarten der Technik des subtilen Ausdrucksmittels an römischen Mosaiken anschaulich nachweisen.

So wurden einzelne Figuren als kreisrundes Einschubmosaik nicht in die dafür ausgesparten Fenster verlegt. Vielmehr sind die beweglichen Emblemata der Medaillons der konzentrische Ausgangspunkt um Quadratnetzwerk. Die, nach der Einpassung verbleibenden, freien Flächen wurden anschließend mit Steinen gröberen Formats gefüllt. Da dieses Format ebenfalls den figurenumgebenden Steinen des Einschubmosaiks entspricht, sind Übergänge nur schwer zu lokalisieren.

Es ist anzunehmen, dass einige Emblemata ohne Grund, also nur mit den Umrissen der Figuren, vorbereitet, vor Ort verlegt und die Übergänge abschließend im direkten Setzverfahren ansatzlos gefüllt wurden. In solchen Fällen ist der Nachweis von der Sichtseite aus nicht zu erbringen, da der Mörtel in einem Arbeitsschritt ausgeführt wird und keinerlei erkennbare Übergänge bestehen. Es bedarf neben den hilfreichen Spuren im rückwärtigen Bettungsmörtel, der in Vichten allein schon durch die unterschiedliche Magerung mit feinstem Ziegelsplitt auch optisch hervorstach, auch der Mithilfe von Bodensalzen und Gülle (siehe Abb. 92), um Trennlinien der Verlegetechniken zu lokalisieren. An zwei Stellen im Zentralmedaillon lässt sich die erste Technik nachweisen. Rechts oberhalb der Federkrone von Kalliope verzahnen sich die hellen Steine des Grundes mit der der Fläche des Einschubmosaiks (siehe Abb. 125), wobei eine klare Trennlinie in Höhe der Schulter nur schwer erkennbar ist, da die übliche Konturierung in zwei bis drei weiße Steinreihen übergeht. Man beachte die gekonnte Modellierung der Schulter, Taille und des Armes mit hervortretendem Bizeps, sowie die Erhöhung der Falten und Locken mit schwarzen Steinen. Die Konturbegleitlinien in Form von zwei Steinreihen wurden im Kopfbereich ausgesetzt.

Eine weitere Stelle befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite zwischen der Rahmung des Medaillons und der linken Seite des Kopfes von Homer (siehe Abb. 126). An einigen Mosaikrückseiten waren im Bereich der Namensbeischriften ebenfalls Anomalien im Bettungsmörtel zu erkennen. Die eigenartige Verzahnung zwischen Rahmenleiste, Namensbeischrift - +HOMERVS+ ist interessanterweise zwischen zwei Kreuze gebettet - legt den Verdacht nahe, dass auch diese auf einer Unterlage vorgefertigt und als Einschubmosaik in einem zweiten Arbeitsschritt an Ort und Stelle eingefügt wurde. Zu dieser Beobachtung fügt sich die andersartige Qualität des weißen Steinmaterials im Grund der Namensbeischrift.

Expand Expand Abb. 125
Zentralmedaillon, Verzahnung des Einschubmosaiks mit dem hellen Hintergrund und der Namensbeischrift mit dem Rahmen, Ausschnitt aus Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)
Expand Expand Abb. 126
Zentralmedaillon, Ausschnitt aus Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)

Zum Konturieren der Binnenzeichnung in Form von Figuren oder Motiven werden üblicherweise die Umrisse vom einfarbigen Grund mit zwei Steinreihen als imaginäre Schattenlinie oder Figurenbegleitlinie abgegrenzt. Hieraus ergeben sich zweierlei Vorteile: zum einen verleiht sie den Figuren und Motiven Plastizität - die Wirkung kennt man ebenfalls aus der Malerei - und zum anderen wird die äußere Linienführung der Kontur im Grund übernommen und eine Verzahnung mit dem Rest der Fläche vereinfacht. Die Figur wird dadurch eindeutig und klar vom Hintergrund getrennt.

Ansätze der Radial- und Reticulatsetzweise, wie sie eindrucksvoll auf dem hellen Grund des römischen Mosaiks im Augustinerhof in Trier dargestellt erscheint (), schließen die Freifläche zwischen den beiden Hauptfiguren (siehe Abb. 127). Vergleichbar ist auch das Zentralmedaillon des „Musen-Mosaiks“ gestaltet. Die Licht- und Schattenwirkung auf die körperliche Form, das fugenhafte Absetzen und Hervorheben der Hand vor der Kathedra und Kalliopes bewegter Fingerzeig vor demselben Möbel, zeugen von der Intention des römischen Mosaizisten und gehen über einen gedankenbildlichen Stil hinaus. Ausgehend von der Konturbegleitlinie, die zwischen zwei und fünf Reihen variiert, Ansätze einer dynamischen fächerförmigen Setzweise des Grundes in der bewegten Szene des Mosaikzentrums. Gleichzeitig erzählend und Dekorativ. Das Spiel mit den Proportionen und den Gebärden in einer Szenerie, Vertrauen und Wissen ausstrahlend, zeugt von einer angemessenen Darstellungsform, um den Betrachter von der von ihr ausgehenden Kraft zu überzeugen. Interessanterweise ist dies das geometrische und epische Zentrum des Hauptfeldes mit den neun Musen.

Expand Expand Abb. 127
Zentralmedaillon, Ausschnitt aus Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)

Zur Akzentuierung besonderer Formen, wie Haare, Gewandfalten oder zum Beispiel die Sandale des Dichters Homer (siehe Abb. 193), verwendete der Meister sparsam und gezielt schwarze kleine Steine. Besonders detailverliebt sind Sandalen und Füße1 des genannten modelliert und sprechen für eine große Könnerschaft des Künstlers.

Sogar Verzierungen an den Schnittstellen der Lederriemen sind mit gelben Steinen markiert, einmal in Aufsicht und Seitenansicht. Das sparsame Verwenden der kleinen dunkelschwarzen Steine setzt wohldosierte Akzente, unterstreicht deren besonderen Stellenwert in den Kompositionen und steht im Kontrast zur ornamentalen Farbigkeit der Flächenmuster.

Wie bereits beschrieben, hängt die visuelle Informationsmenge vom Verhältnis der Größe der farbigen tessellae zur Bildfläche ab. Am Beispiel der Füße und Unterschenkel Homers sind kontrastierende Farbwürfel dicht und in einem wilden Verband nebeneinandergesetzt und erzeugen ab einer gewissen Entfernung den angenehmen „Hautton“. In der Vergrößerung sind die farbigen Mosaiksteine gleich Rasterpunkten, die Nuancen der Farbtöne der Steine einzeln ablesbar und erzeugen so keine Mischfarben mehr auf der Netzhaut der Augen.


  1. In der Anatomie werden drei Fußformen unterschieden: einmal die ägyptische Form mit dem großen Zeh, der länger als alle andere Glieder ist; dann die griechische, wo der zweite länger als der große Zeh ist und zuletzt die römische Variante, bei der die ersten beiden Zehen gleich lang sind. Homers Fuß ist ein griechischer Fuß. ↩︎

Bibliografie

Hoffmann et al. 1999
Hoffmann, P., Hupe, J., & Goethert, K. (1999). In Katalog der römischen Mosaike aus Trier und dem Umland. Trierer Grabungen und Forschungen, 6. Trier.