4.2.6. Rahmung

Bleiben wir beim Zentralmedaillon. Hier fallen Abweichungen auf, wie die leicht schräg nach rechts oben verschobene Achteckform. Als Folge variieren zum einen die Längen der acht Seiten der Achtecke und dadurch die Abstände zu den anderen Medaillons. Dies wiederum hatte unmittelbar Auswirkungen auf die, das Zentralmedaillon umgebenden, Flechtbänder und Ornamente. Um die Flächenverschiebungen aufzufangen, wurden die Flechtbänder in unterschiedlichen Breiten und Abschnittslängen verlegt. Auf Schulterhöhe der Muse Kalliope kann man diesen modifizierten kosmetischen Kniff nachverfolgen.

Nicht nur für die Flechtbänder, auch für die doppelte Rahmung des Zentralmedaillons, bestehend aus einer Leiste und einem Band von abgetreppten gegenständigen Dreiecken, hatte die Asymmetrie Folgen. Die Übergänge in den Ecken der Rahmenleiste fielen als Produkt der unterschiedlichen Seitenlängen des Oktogons sehr unterschiedlich aus (siehe Abb. 128, Abb. 129 und Abb. 130). Geschickt umging der Mosaizist das Problem und passte die Ecken an das laufende Muster so an, dass beim ersten Blick die Unterschiede nicht auffallen.

Unterschiedliche Ausformungen der Ecken in der doppelten Rahmenleiste mit abgetreppten Dreiecken als Folge der unterschiedlichen Seitenlängen des asymmetrischen Zentralmedaillon, Ausschnitt aus Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)

Gleiches gilt auch für die abwechslende dekorative Rahmung der acht Musen mit abgetrepptem Mäanderhaken (siehe Abb. 131 und Abb. 132) oder schattiertem Zinnenmäander (siehe Abb. 133 und Abb. 134). Raffiniert, im kontrastierendem Farbwechselspiel mit den Komplementärfarben Grün (Mischfarbe von Blau und Gelb) und Rot, in Szene gesetzt. Wahrscheinlich wurde unter Zuhilfenahme von Schablonen, wie aus Delos bekannt () das Ornament als Teil der Rahmung auf schwarzem Grund gelegt. Ob in Vichten verschiedene Schablonen zum Einsatz kamen oder frei Hand die Steine für das farbige Muster in den frischen Mörtel gedrückt wurde, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Melpomenes Medaillon zum Beispiel begnügt sich mit drei abgetreppten Mäanderhaken für jeweils eine Seitenlänge des Achtecks (siehe Abb. 133). Das Muster wirkt unnatürlich in die Länge gezogen. Harmonischer ist da das Erscheinungsbild der Musen Erato, Urania und Euterpe, mit jeweils vier Musterelementen pro Achteckseite. Eine weitere Spielart zeigt uns die Muse Euterpe: Die Mäanderhaken sind regelmäßig in den Ecken geknickt und durchgehend gleichlang. Was man von den Mäanderhaken der Muse VRANIA nicht behaupten kann (siehe Abb. 134).

Expand Expand Abb. 131
Medaillon der Muse Urania, Ausschnitt aus Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)
Expand Expand Abb. 132
Medaillon der Muse Melpomene, Ausschnitt aus Feld XIX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)

Bei den Musen Thalia und Polyhymnia kamen faktisch identische Schablonen zum Einsatz. Kreativ passte der Mosaizist das Rahmenbad aus vier oder fünf Zinnen an die jeweils gegebenen Seitenlängen so an, dass diese meist mittig zentriert werden konnten.

Expand Expand Abb. 133
Medaillon der Muse Thalia, Ausschnitt aus Feld XI (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)
Expand Expand Abb. 134
Medaillon der Muse Polyhymnia, Ausschnitt aus Feld XIX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)

Bibliografie

Fischer 1969
Fischer, P. (1969). Das Mosaik, Entwicklung, Technik, Eigenart. Wien und München.