4.4.4. Schwellstreifen = Unterteppich

Neben dem quadratischen Hauptfeldteppich, der das gewünschte Thema aufgreift und figurativ umsetzt, versuchen die Unterteppiche dem Betrachter den Eindruck übereinanderliegender Teppiche zu vermitteln. Der schwarze, schmalrechteckige Füllrahmen zwischen Teppich und Wand ist der sichtbare Rest der gedachten Belagebene, auf der die beiden Schwellstreifen normalerweise als flächenfüllender Unterteppich unter dem kleineren Hauptfeldteppich herausschauen und das raumbedingte Rechteck als Verlängerungsstreifen ausfüllen. Durch die Dreigliederung mittels eines viersträhnigen Flechtbandes wird die beabsichtigte Wirkungsweise etwas konterkariert.

Denkbar ist auch der Wunsch nach einer imaginären und apotropäischen Schwelle jeweils beim Eintritt in den Saal und den Speisebereich, obwohl die Eingangsschwelle durch große rechteckige Sandsteinquader markiert war und Platz für einen besonderen Mosaikstreifen als Rankenborte bot (). Diese unheilabwehrend symbolische Geste hatte Initiationscharakter und sollte dem Eingeweihten, dem diese Bedeutung ohne das rationale Medium der Sprache bewusst war, auch auf den Raumzweck sensibilisieren. Ein Schwarz-Weiß Schwellenmosaik mit der Darstellung eines Wachhundes an der Kette und der Beischrift „CAVE CANEM“ ist aus Pompeji überliefert (). Die sinngemäße Erfassung des Mosaiks ergibt sich aus der Inschrift, der Abbildung und dem Zusammenhang, wobei beide allein für sich als Informationsträger für den kundigen Römer genügten.

Ein Rapport aus zwei Reihen parallel aufgereihten, sich mit den Spitzen berührenden gefüllten Peltenkreuzen () auf weißem Grund, bilden die beiden, das Hauptfeld flankierenden, schmalen Unterteppiche (siehe Abb. 169). Den Rahmen des vorderen Schwellstreifens füllen 15 und der hintere 14 Peltenpaare. Eine Anordnung in entgegengesetzter Drehrichtung hebt die surreale Drehdynamik der mit Flechtbandknoten gefüllten Peltenpaare auf (siehe Abb. 170 und Abb. 171). Durch einen kurzen Querbalken, dem Kreuzchengipfel, erfolgt die Verbindung untereinander. Die schwarze Rahmenleiste wird auf die gleiche Weise mit den Pelten verbunden. Im Unterschied zum Vichtener Mosaik sind am Medernacher (Abb. 202) die mehrfarbigen Peltenkreuze zusätzlich zu den Berührungspunkten an den Spitzen der Kreuzchengipfel auch an den Rundungen mit Stegen verbunden.

Die alternierende Farbpalette der Füllungen in Form von Flechtbandknoten ist identisch mit der der Flechtbänder im Mittelteil. Die Farbreihenfolge folgt einem festen Muster: das weiße Auge, den Rand bildend Schwarz, Rot, helles Violett, Weiß, Schwarz oder das weiße Auge, den Rand bildend Schwarz, Olivgrün, Hellgrün/Beige, Weiß, Schwarz. Den Zwischenraum lockern eingestreute Kreuzsterne auf.

Expand Expand Abb. 169
Der schmale „Unterteppich“ mit einem surrealen Musterrapport aus gefüllten Peltenkreuzen und Kreuzsternen, Feld VII bis IX und XXI bis XXIII (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)
Expand Expand Abb. 170
Konstruktion des Peltenwirbels und der Kreuzblüte aus vier verschränkten Kreisen (Quelle: MNHA/Rainier Fischer auf Grundlage von Alexandra Kankeleit, 2021)
Expand Expand Abb. 171
Doppelreihe der alternierend, gespiegelten Peltenwirbel des „Musen-Mosaiks“ (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2022)

Bibliografie

Istituto della Enciclopedia Italiana 1990-1999
Istituto della Enciclopedia Italiana (1990-1999). Pompei, pitture e mosaici, 1-5. Milano.
Kankeleit 2021
Kankeleit, A. Peltenwirbel. https://pelta.kankeleit.de/
Stern 1960
Stern, H. (1960). Recueil général des mosaïques de la Gaule. I. - Province de Belgique, 2. Partie Est. Paris.