Anhang I - Charles Arendt

Die von Charles Arendt publizierten Bodenmosaiken aus Luxemburg

Die Begeisterung für die Kultur im Allgemeinen und im Besonderen für die römische, teilte der luxemburgische Architekt Charles Arendt1 im 19. Jahrhundert mit zahlreichen Zeitgenossen. Als Mitglied der 1847 gegründeten Societé Archéologique du Luxembourg, hatte er im vorletzten Jahrhundert als Erster Mosaikfunde aus römischen Trümmerstellen - wohl ehemaligen Villenanlagen - in Luxemburg systematisch erfasst, publiziert und vorausschauend konservatorisch eingegriffen.

Insgesamt drei Fragmente zweier unterschiedlicher mehrfarbiger Mosaiken mit Oktogon-Medaillons wurden in der Römergasse in Bous (Kanton Remich) von J.R. Lenné freigelegt und von Charles Arendt begutachtet, welcher diese 1877 in der „Notice sur les mosaïques romaines trouvées dans le Grand Duché actuel & l’ancien Duché de Luxembourg et particulierement sur les mosaïques de Bous (lez-Remich) par Ch. Arendt“ publizierte. Arendt kommentierte weitsichtig den Fund der „Teppichmosaike“ auf einem Vortrag, gehalten am 20. September 1908 in Nennig: „Die bedeutendsten, nach Nennich, wurden im Jahre 1851 im benachbarten Dorfe Bous bloßgelegt. Der wenig patriotische Besitzer verkaufte den wertvollsten derselben einem Pariser Kunsthändler. Über einen 2ten ließ die Regierung unter meiner Leitung eine kleine Halle errichten“ (). Ergänzend erwähnt Arendt in seiner Notice: „Nous terminons cette notice, en rendant hommage au Gouvernement grand-ducal, d’avoir fait l’acquisition des mosaïques de Bous, pour en assurer la conservation sous un abri convenable“ ().

Bous liegt unweit der römischen Siedlung Vicus Ricciacum, dem heutigen Dalheim etwa 50 km südlich von Vichten. Der Ortsname Bous lässt sich vom keltischen Wort für „Melkplatz der Kühe“ ableiten. In der Notice (étymologie de Bous) bezieht sich Arendt auf Aussagen Obermullers (deutscher Ethymologe des 19. Jahrhunderts) zur Herleitung des Ortsnamens: „D’apres Obermuller Buar = Rindvieh. Buloch = Kuhort, de Bu = Kuh, et loc = Ort. Bous serait donc un lieu, où il y avait des ètes à cornes (Boveria, Bouverie). D’apres Riedecke, Wael = Buches = Melkplatz. Da die Kelten, dit-il, ihre Heerden in Wäldern und auf ausgedehnten Wannen, weit vom Wohnort weiden lieszen, so gab es bestimmte Orte, wo das Vieh gemolken wurde. Indem sich hier auch Wohnungen bildeten, behielten sie den Namen Buches, Buchs […] ging auch in Bus und Pus über“ ().

Auf dem Plan I, im Katalog Pl. I. der Notice (siehe Abb. 200), mit den zeichnerischen Darstellungen der Mosaikausschnitte von Bous () und Echternach (). Fig. 11 zeigt rechts das Hauptfeld mit Oktogon und links das Nebenfeld mit Mäanderrahmenband. Der schmale Ausschnitt des 1851 freigelegten römischen Mosaiks aus Bous wird unter der Überschrift Description des trouvailles de Bous genauer beschrieben. Unter anderem sorgte der Fund von Glaswürfeln im Bereich der zerstörten Medaillons für Aufsehen: „Ils renfermaient très probablement des sujets dans le genre de ceux de Nennig qui ne mesurent que 0m50 de coté ; les cubes en verre colorié recueillis dans l’un d’eux témoignent de leur richesse“ (). Die eindeutigen kompositorischen Parallelen zum älteren Vichtener „Musen-Mosaik“ liegen auf der Hand. Das vielfarbene Bouser „Medaillon-Mosaik“ ist jedoch eher in die Mitte des 3. Jahrhunderts zu datieren. Um diese Zeit erscheint im Repertoire der Trierer Mosaizisten nun häufiger die Verwendung von Glassteinchen in den Bildfeldern und das Motiv der „Rainbow“-Leiste (). Arendt gibt eine Länge von 15 m, bei einer Breite von 20 m an, mit einem 40 cm starken Fundament aus Kalkestrich mit feinem und groben Ziegelsplitt (). Der Bettungsquerschnitt der kleinen Zeichnung auf dem Pl. I. unterscheidet: oben Mosaiksteine, in der Mitte „Chaux et poudre de tuilerie“ und unten „Chaux et briques concasses“. Die Dicke und der Aufbau der Fundierung entspricht den Vorgaben VITRUV‘s und den bekannten Funden im weiteren Umkreis.

Expand Expand Abb. 201
Charles Arendt, Notice sur les mosaïques romaines, Pl. I. (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Das größere der geborgenen Fragmente zeigt einen schmalen und quer verlaufenden Ausschnitt vom Randbereich bis hin zum Eckzwickel und einem Teilbereich des Medaillons (). Ein zweisträhniges Flechtband unterteilte das innere Kompositionsschema, welche mehrere Oktogone und einen Eckzwickel, den eine Lotusblüte füllte, erkennen lassen. Die Seitenlänge des Oktogons misst Arendt mit 50 cm. Dieses Maß entspricht dem Zentralmedaillon im „Musen“-Mosaik aus Vichten. Die aus gleichlangen Seitenlängen gebildeten Oktogone messen in der Diagonale rund 95 cm (3 pes) und belegen die metrischen Gesetzmäßigkeiten der Kompositionen. Im Gegensatz zum „Musen-Mosaik“, wo zwei Achteckgrößen belegt sind, scheint dieser Rapport aus gleichgroßen Achtecken zu bestehen - gleich dem „Rennfahrer-Mosaik“ () aus der Ostallee in Trier (1. Hälfte des 3. Jahrhunderts). Abwechselnd wurde der Rahmen, von innen nach außen gesehen, aus einem Zahnschnitt, „Rainbow“-Leiste, nochmals Zahnschnitt, zweisträhnigen Flechtband und wiederum einer Zahnschnittleiste gebildet. Das bekannte „Gladiatoren-Mosaik“ aus Bad-Kreuznach, 230 n. Chr. bis 240 n. Chr. und das „Bacchus-Mosaik“ aus der Trierer Walramsneustraße, gegen die Mitte des 3. Jahrhundert, sind ebenfalls mit der erst im 3. Jahrhundert als Motiv wiederverwendeten „Rainbow“-Leiste verziert.

Die Trennung der Kompartimente erfolgte, wie vom „Musen-Mosaik“ bekannt, auch hier mit einem viersträhnigen Flechtband. Der Abschluss zur Wand bildete eine Band aus einseitig gezahnten Dreiecken und einer breiten schwarzen Füllfläche. Die mehrsträhnigen Flechtbänder, die Zahnreihe und das Motiv in einer Ecke, eine Peltenblüte in Form eines Kraters in ein Dreieck eingeschrieben, lassen eine enge Verwandtschaft zum Vichtener Mosaik erkennen. Nicht nur allein die Verwandtschaft im Aufbau und der Motive, sondern auch die Ausführung derselben lassen den Wirkungskreis einer Werkstatt erkennen, die direkt zum etwa 20 km entfernten Vichtener „Musen-Mosaik“ führt. Aus diesem Grund kann von einem Mosaizisten-Atelier ausgegangen werden, welches die Baustellen der großflächigen Landvillen außerhalb des Zentrums Trier bediente. Die aufgezeigten Parallelen legen nahe, das Mosaik aus Bous gleichalt wie die beiden römischen Mosaiken aus Bad Kreuznach und Vichten in das zweite Viertel oder um die Mitte des 3. Jahrhunderts zu datieren.

Ein anderes, im Anriss wiedergegebenes Mosaik auf dem Pl. I. unten links, (), zeigt ein schwarz-weißes Mosaik mit einem Peltenrapport. „Der Peltenteppich des Raumes 8 (Kat. 74), der in Oberitalien seit dem ausgehenden 1. Jahrhundert nachweisbar ist, kommt mit seiner charakteristischen Rahmung von schmalen schwarzen und breiten weißen Streifen ganz gleichartig im Treverergebiet in den Villen von Echternach und Bous vor. Es erhebt sich die Frage, ob Mosaiksetzer derselben Werkstatt hier wie dort tätig waren“ (; ). „Die vielgliedrige Rahmenornamentik faßt das Dionysosmosaik von der Fausenburg, das Gladiatorenmosaik von Bad Kreuznach, das Mosaik von Bous und die Schaab’schen Mosaiken zusammen“ (). Ein einfaches Muster, bei dem sich die schwarzen Peltenpaare auf weißem Grund an den Spitzen berühren, abwechselnd stehend oder liegend. Die Jahreszahlen „Bous 1851 et Echternach 1850“ beziehen sich auf alle Abbildungen. Das Cliché gibt die Rekonstruktionszeichnung des Mosaikrestes bei der Auffindung des Bodens in Echternach 1850 durch J.P. Brimmeyr wieder. Ein erhaltener Rest, des ehemals wohl 125 qm großen Schwarz-Weiß-Mosaiks, von der Echternacher Grabung im Jahre 1975/76 () aus dem Hauptsaal, bestätigt den Befund von 1850. Metzler datiert die zweite Bauperiode um 100 n. Chr. () und bestätigt somit die frühe Verwendung des Peltenmotivs aus Oberitalien in Luxemburg beziehungsweise Triers.

Ein weiterer Boden aus Bous (), 1877 aufgefunden, zeigt im Ausschnitt eine mehrteilige Rahmenfassung mit Dornenband (= Trichterband). Motivgleich auch im ornamentalen Mosaik aus der römischen Villa von Oberweis (siehe Abb. 151) verarbeitet. Die gerahmte Fläche füllte ein einfaches schwarzes Kreuzblüttenmuster auf weißem Grund. Das Flächenmotiv des zweiten Mosaiks () (siehe Abb. 200), Auffindung ebenfalls im Jahr 1877, passt so gar nicht in das bekannte hiesige Repertoire. Ein einfacher, zuerst breiter Schwarzer Rahmen, lässt in den Kreuzpunkten eine Swastika (Sonnensymbol) entstehen. In Trier ist dieses Motiv in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr., im Raum 36 des „Procuratorenpalastes“ belegt (). Beachtenswert sind auch die ebenfalls abgebildeten Funde der Grabung aus dem Jahre 1851. Zuerst sei die treffend gezeichnete Säule () genannt, die exakt im Profil der rekonstruierten Säulenreihe des Südperistyls, der ersten Bauperiode aus der Palastvilla von Echternach entspricht (). Ebenso ein klassisches Profil eines weißen Marmors (), welches auch in Echternach nachgewiesen ist (). Des Weiteren Eisenobjekte, aus denen zwei Messstäbe, eine mit Halbkreis, interessant erscheinen.

Pl. III. (siehe Abb. 201) führt uns, neben Itzig und Fließem, unter anderem nach Medernach (ehem. Kanton Diekirch). Parallelen zur Itziger Entdeckung finden sich unter anderem in Grand auf dem großen „Basilika-Mosaik“. Der weißgrundige Schwellstreifen des Grander Mosaiks ist im Zentrum mit dem identischen Peltenpaar () gefüllt. Weitere Zierelemente des Schwellstreifens sind auch aus Itzig belegt. Hier stellt sich wiederum die Frage einer Werkstattzugehörigkeit oder die Verwendung von Musterbüchern.

Aus dem Fundkomplex der römischen Villa mit Thermen von Medernach aus dem Jahre 1842 - ein Fragment wurde am 21. September 1844 dem Musée de Luxembourg durch Notar F. J. Vannérus übergeben - publizierte Charles Arendt ein weiteres weißgrundiges Fragment eines größeren Bodenmosaiks von rund 3,50 x 3 m (; ). Der Ausschnitt () zeigt einen Rahmen in Form eines Zinnenmäanders, der farbig gefüllte Peltenkreuzen nebst Kreuzsternen umschließt. Die mehrfarbigen Peltenkreuze sind zusätzlich zu den Berührungspunkten an den Spitzen (Kreuzchengipfel) auch in den Zwischenräumen mit Stegen verbunden. Der Rapport wird von einem schwarzen Band und einem Mäanderhaken auf weißem Grund umrahmt. Frappierend ist die Verwandtschaft mit den identischen Motiven aus dem „Musen-Mosaik“. Die Zinnenmäanderleiste unterscheiden sich jedoch voneinander. Während hier der Rapport von Peltenkreuzen (siehe Abb. 202) umschlossen wird, umgeben die Rahmenleisten bei dem „Musen- Mosaik“ die Oktogonmedaillons. Eine Parallele aus Trier, das „Rennfahrer-Mosaik“ aus der Weberbach, datiert in die 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts (). Eine Datierung und einhergehende enge Verwandtschaft zum Vichtener Befund, der etwa 20 km westlich von Medernach lag, in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts, sind auch hier gegeben.

Expand Expand Abb. 202
Charles Arendt, Notice sur les mosaïques romaines, Pl. III. (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)
Expand Expand Abb. 203
Farbliche Rekonstruktion (Zeichnung M. Breithoff) des „Peltenrapport-Mosaiks“ mit Zinnenmäanderrahmen von der römischen Villa aus Medernach (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Aufgrund der zahlreichen Parallelen beziehungsweise Ähnlichkeiten, ist anzunehmen, dass im weiteren Umkreis des antiken Triers in den römischen Großvillen dieselben Teams, bestehend aus Mosaizisten und Wanderarbeitern, tätig waren. Im Wirkungsbereich der Strahlkraft einer größeren, überregional agierenden Werkstatt, wurde die stark gestiegene Nachfrage nach repräsentativer Kunst anscheinend flächendeckend befriedigt. Anschaulich belegt zu guter Letzt, die auf Pl. III. beigefügte Karte, die damals bekannten römischen Straßenverbindungen und Mosaikfundstellen zwischen Luxemburg und dem Trierer Land, beidseits der Mosel (siehe Abb. 203).

Expand Expand Abb. 204
Charles Arendt, Notice sur les mosaïques romaines, Pl. III., Teilausschnitt mit den bekannten römischen Straßen und Fundstellen (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

  1. . Der Luxemburger Staatsarchitekt und Schriftsteller Charles Arendt, geboren am 15. März 1825 in Vianden und gestorben am 21. November 1910 in Luxemburg, war unter anderem als „Laienarchäologe“ aktiv und Mitglied der Societé Archéologique und veröffentlichte unter anderem in den Publications de la Section Historique de l’Institut (royal) grand-ducal de Luxembourg. ↩︎

Bibliografie

Arendt 1877
Arendt, C. (1877). Notice sur les mosaïques romaines trouvées dans le Grand-Duché actuel & l’ancien Duché de Luxembourg. Luxemburg.
Arendt 1908
Arendt, C. (1908). Das römische Mosaik von Nennig. Mit einer Tafel. Luxemburg.
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Hellenkemper-Salies, G. (1980). Neue römische Mosaiken in Deutschland. Beiträge zur Chronologie des 3. Jahrhunderts. In Il Mosaico Antico. III. Colloquio internazionale sul mosaico antico, 2, S. 335-346. Ravenna.
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Metzler, J., Zimmer, J., & Bakker, L. (1981). Ausgrabungen in Echternach. Luxemburg.
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