4.1.3. Antike Bauhandwerker

In einer römischen Stadt wie Trier, die zur Entstehungszeit des „Musen-Mosaiks“ den Status der Provinzhauptstadt als civitas Treverorum in der Gallia Belgica innehatte, einer Stadt mit einer fünfstelligen Einwohnerzahl, waren mit Sicherheit alle Gewerke des Bauhandwerks, Künstler und Architekten (lat. architectus oder faber) vertreten. So kann davon ausgegangen werden, dass sich durch die rege Bautätigkeit in einer so großen Stadt und den vielen Villen im nahen Umland, eine spezialisierte mobile Werkstatt (lat. officina) für das Verlegen von Mosaiken etablieren konnte (; ).

Dank der gut ausgebauten Infrastruktur kam der gebildete Gutsherr von Vichten schnell und problemlos in Kontakt mit der in Trier vermuteten Werkstatt. Der Gutsherr stellte dem Mosaikatelier Räume zur Verfügung, in denen die Mosaizisten zeitweilig wohnten, dass Mosaikmaterial vorbereiteten und auch lagerten (). Es gab auch Mosaizisten, die keinen festen Standort hatten, sondern von Baustelle zu Baustelle zogen.

Der Fund von Marmorabspliss aus dem Raum (Gang) 4, im Durchgang von Raum 2 zu Raum 5, in Vichten ist der Nachweis für das Vorhandensein eines steinschlagenden Mosaizisten vor Ort. Der Befund bestätigt jedoch nur die Annahme einer temporären Werkstatt im Landgut. Das macht die Suche nach Überresten einer Werkstatt schwer, denn die leicht der Beobachtung entgehenden Marmorschnittabfälle lassen sich in jedem römischen Trümmerfeld einer Villa finden, dass ein Mosaik beherbergte, insofern man danach explizit sucht. Eindeutige Belege für die Existenz einer mobilen Werkstatt wären beispielsweise eine nennenswerte Menge diverser Produktionsreste, sowie spezifischen Werkzeugen, deren Fund sich auf eine Stelle konzentriert.

In einer größeren Werkstatt mit festem Standort konnte der Spezialisierung und Aufteilung der Tätigkeiten, bedingt durch die immer aufwändiger und raffinierter gestalteten Steinteppiche, besser Rechnung getragen werden. Diese Spezialisierung unter der Aufsicht des bauleitenden Handwerkers (lat. officinator) führte zwangsläufig zur Herausbildung neuer Berufsbezeichnungen1. Wie am Vorgehen der Arbeiten des Mosaiks ersichtlich, wurde in enger Abstimmung mit der Atelierleitung die Idee des Hausherrn (lat. locator) und Auftraggebers auf die gegebenen Räumlichkeiten in Vichten übertragen. Einer solch komplexen Mosaikwerkstattorganisation stand der Besitzer als Geldgeber oder als Handwerksmeister (lat. magister) vor.

Anhand von Musterbüchen und Vorlagen, stellte der Auftraggeber sich seinem Geschmack, Kunstverständnis und Bedürfnis entsprechend sein Mosaik zusammen. Obwohl auch Vorlagen und Musterbücher2 eine solide Qualität und eine gewisse Einheitlichkeit des Stils im ganzen Imperium garantierten, unterlagen die Stilrichtungen den üblichen regionaltypischen Moden der Epochen und den Fähigkeiten der Mosaizisten in den römischen Provinzen diese weiterzuentwickeln. So wurden notwendige Veränderungen der bekannten Muster den lokalen Bedürfnissen angepasst. Der künstlerische Einfluss der Trierer Werkstätten in der Provinz Gallia Belgica, ist im antiken Köln, Provinz Germania inferior und sogar in Britannien, in der Provinz Britannia prima, greifbar. „Bei der Durchsicht der Kölner Mosaiken konnten - trotz der Eigenständigkeit der Kölner Werkstätten - immer wieder Parallelen zu Trierer Böden hingewiesen werden. Eine enge Beziehung zur Trierer Mosaikproduktion zeigt ein 1980 in Köln aufgedecktes Fragment“ (). Die verblüffende Übereinstimmung mit einer Ornamentkomposition auf einem Mosaikrest mit ornamentalem Muster aus Trier, Palastplatz () mit dem „Orpheus-Mosaik“ aus Woodchester (County of Gloucestershire) und den identischen Gliederungssystemen zwischen den Mosaiken aus Vichten, Tockington (siehe Abb. 163) und Gloucester (County of Gloucestershire), kann als überzeugenden Beleg für das Vorhandensein von Musterbüchern und den Austausch von Mosaizisten zwischen den Provinzen angesehen werden. „This suggests that the Corinian Orpheus School – or at least its designer – at some time moved to Trier, if so, the period of activity of this school in Britain appears to be approximately c.300-c-320“ (). Durch die unterschiedlichen Entwicklungsströme und mit dem Austausch von Künstlern und Kunstrichtungen in beide Richtungen, bedingt durch die ständige Ausdehnung des römischen Weltreiches, kamen stets neue Impulse in die entlegensten Regionen.

Die Annahme, dass im 3. Jahrhundert Mosaizisten aus dem Mittelmeerraum die etablierten Mosaikateliers in Trier tatkräftig unterstützten, mag für den Einzelfall nicht auszuschließen sein. Anfangs mögen sich, wie in der Echternacher Villa im 1. Jahrhundert () augenscheinlich nachweisbar, Spezialisten aus dem Mittelmeerraum - die der hiesigen römischen Architektur in neue Dimensionen verhalfen - in Trier zeitweilig angesiedelt haben. Aber zweihundert Jahre später hatten sich auch diese Architekten und Handwerker in dem antiken Trierer kontinuierlich eine Existenz aufgebaut und konnte „hier das griechisch bestimmte Formenerbe aus dem Mittelmeerraum mit den bodenständigen keltischen Traditionen verschmelzen“ (). Sicherlich gab es mobile Fachkräfte. Aber die prosperierende civitas Treverorum bot auch diesen Handwerkern und ihren Familien ein Auskommen und dauerhaftes Zuhause. Gegen eine größere Einflussnahme von außen spricht auch das Erscheinungsbild einer homogenen regionaltypischen Repertoireentwicklung, die vom Zentrum Trier in die Villen der Region ausstrahlte.

Für die Umsetzung des Entwurfs benötigte es Spezialisten, die für einen Unternehmer im festen Werkstattverbund arbeiteten. Bisweilen konnte aber auch der Werkstatteigner als Patron, der selbst tessellarius war, am Entwurf und der Herstellung eines Mosaiks direkt beteiligt sein3. Der Arbeitsaufwand in der Werkstatt und auf der „Baustelle“, die Verschiedenheit der Einzelvorgänge von der Vorbereitung bis zur Verlegung eines Mosaikbodens und die Bevorratung von Steinmaterial, erforderten dies.

Der auf die Anfertigung von feinsten Bildnissen als Einsatzfeld spezialisierte Figurenmosaizist, der vermiculator, arbeitete entweder „intra muros“ in der Werkstatt oder auf der Baustelle4. Wobei davon auszugehen ist, dass die beschwerliche Arbeit in gebückter Haltung und auf den Knien beim Verlegen kleinster tessellae (2 mm bis 6 mm) vor Ort eher die Ausnahme war. Auch spricht die Bevorratung von Steinmaterial verschiedenster Art und Güte, die erst umständlich zur Baustelle transportiert werden musste, gegen eine Arbeit am Ort der Verlegung. Dagegen war der Transport der fertigen emblemata vergleichsweise kostengünstig. Leider blieb bis heute die Lokalisierung einer angenommenen römischen Mosaikwerkstatt in Trier ohne Ergebnis.


  1. . MVSEIARIVS. S.23f. Durch die vielen aus Griechenland abstammenden Mosaizisten führten Rückübertragungen aus dem Lateinischen in das Griechische offenbar zu neuen Begriffen und Begriffserweiterungen. ↩︎

  2. . Ein neuer Papyrus und das Zeugnis der Mosaiken belegen die Verwendung antiker „Musterbücher“. S. 62. „Denn wie einige Mosaikinschriften zeigen, in denen klar zwischen dem Ersteller der Vorlage und dem ausführenden Mosaizisten(team) differenziert wird, sei grundsätzlich für jede figürliche Szene ein neuer Karton geschaffen worden. Allerdings ist sofort zu fragen, ob dies das alleinige Verfahren bei der Herstellung von Figurenmosaiken gewesen ist.“ ↩︎

  3. . Organisation der Werkstätten. S. 42. „Die beiden Handwerkerinschriften, in denen der Arbeitsvorgang allein durch das Verbum PINGERE ausgedrückt wird nennen uns aber wahrscheinlich nicht nur den Zeichner der Vorlage, sondern auch den Mosaizisten, der zugleich den Entwurf lieferte und dies deutlich machen wollte.“ ↩︎

  4. . Organisation der Werkstätten. S. 44. „Zusätzlich gibt es noch einen VERMICULATOR, der wohl auf die Anfertigung feinster Bildmosaiken spezialisiert war. […] Ähnlich anderen Handwerkszweigen lässt sich somit auch für die Mosaikkunst allein schon aufgrund der Nomenklatur ein hoher Grad an Spezialisierung wahrscheinlich machen.“ ↩︎

Bibliografie

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Künzel 1990
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Smith, D. J. (1980). Roman mosaics in Britain: A synthesis. In III Colloquio Internazionale sul Mosaico Antico, 2, S. 357-380, Abb.3. Ravenna.